Herrscherlob und Herrscherkritik

Internationales Symposion

„Herrscherlob und Herrscherkritik in den slawischen Literaturen“ vom 18.-19.11.2010

Vom 18.-19.11. gab der Konzilsaal der Universität Greifswald ein gelungenes Ambiente für ein internationales Symposion zum Thema „Herrscherlob und Herrscherkritik in den slawischen Literaturen“ ab. Schon beim Eintritt bestaunten die aus dem In- und Ausland angereisten Gäste eine Vielzahl von Professorenporträts, die normalerweise kaum in Kontext der hier durchgeführten Veranstaltungen stehen.

Dieses Mal war alles anders, denn die Teilnehmer des Symposions haben eine Affinität zum Panegyrischen und zur Festtagskultur, dem Thema, das Ulrike Jekutsch, Professorin für Slawische Literaturwissenschaft an der Universität Greifswald, seit ihrem Studium der Slawistik und Osteuropäischen Geschichte in Göttingen nicht mehr losgelassen hat, auch wenn sie wie Prorektor Michael Herbst (Greifswald) in seinem Grußwort und Brigitte Schultze (Mainz) in ihrer Laudatio betonten, in der Folgezeit einige riesige Bandbreite an Themen aus verschiedenen Slawischen Kulturen und Literaturen behandelte. Egal, ob sie Puschkins „Boris Godunow“ einer Neubetrachtung unterzog oder sich mit der polnischen und tschechischen Avantgarde beschäftigte, bzw. bulgarische Mythen unter die Lupe nahm, von Zeit zu Zeit kehrte sie immer wieder zur Festtagskultur im 18. Jh. zurück. Dies belegt nicht nur ihr Aufsatz zu barocken Feuerwerken in Russland, publiziert von der Herzog Albrecht Bibliothek in Wolfenbüttel in einer renommierten Reihe zur Barockforschung, sondern auch das gerade abgeschlossen Projekt Petersburger und Greifswalder Wissenschaftler zur Gelegenheitsdichtung im Russischen Reich des 18. Jh’s.

Über mehrere Jahre hinweg haben, wie Petr Bucharkin und Jewgenij Matweew im weiteren Verlauf des Tages berichteten, in Archiven versteckte Texte, zumeist Einblattdrucke, aufgespürt, die anlässlich von Geburtstagen, Hochzeiten oder Thronbesteigungen bzw. anderen Ereignissen der politischen Geschichte verfasst worden waren. Diese wurden in mühseliger Kleinarbeit beschrieben und analysiert. Daran anschließend wurde nachverfolgt wie diese in der Adels- und Gelehrtendichtung aufgingen. Am Ende entstand nicht nur ein Sammelband, dessen Druckfahnen bereits vom Verlag der St. Petersburger Universität erstellt sind, wie die Petersburger Wissenschaftler berichteten, sondern auch eine Datenbank, die Forschern in aller Welt zu Gute kommen wird und so zur systematischen Erforschung dieses wichtigen Phänomens beitragen wird.

Reinhard Lauer (Göttingen), nicht nur den anwesenden Studierenden als Verfasser slawistischer Schlüsseltexte gut bekannt, erläuterte in seinem Vortrag unterschiedlichen panegyrische Textstrategien Lomonosovs, Sumarokows und Dershawins. Wie auch Walter Kroll (Göttingen), der sich in seinem Beitrag mit Stefan Jaworski und dem trilingualen Kulturmodell Kievs beschäftigte, lieferte er so wichtige Anknüpfungspunkte für ein weitgespanntes Programm.

Den panegyrischen Texten, nicht zuletzt den Oden der Barockzeit, ist eine Komplexität eigen, die es ermöglichte Herrscherlob und Herrschererziehung miteinander zu verbinden. Diese Eigenschaft nutzten auch Dichter und Künstler späterer Epochen wie im weiteren Verlauf des Symposions in einer Vielzahl von Vorträgen deutlich gemacht wurde. Beispiele dafür, dass panegyrische Topoi und Mythologeme in neue Zusammenhänge gestellt und umgeformt wurden, lieferte u.a. die Dichtung der Napoleonischen Kriege. Britta Holtz (Greifswald) untersuchte Oden, die Alexander I. als „Retter Europas “ feierten. Wie subtil das Spiel mit Herrscherlob- und Herrscherkritik sein kann, zeigte Ute Scholz (Greifswald) am Beispiel eines 1830 entstandenen Puschkingedichtes über Napoleon, in dem der Zar Nikolaus I. wenn auch vermittelt über eine bildkünstlerische Inszenierung mit dem Korsen verglichen wird.

Marta Skwara von (Szczecin) setzte wichtige Akzente mit einer Präsentation, die zeigte wie polnische Massenmedien auf das in der polnischen Romantik entstandene Bild vom russischen Zaren zurückgreifen und dieses wenn auch kreativ, so doch einseitig fortschreiben.

Auch Norbert Franz (Potsdam) beschäftigte sich mit Interpretationen Putins in zeitgenössischen russischen Medien anhand eines Musikvideos, das den Ministerpräsidenten als Gigolo inszeniert und warnte dabei auch vor hybriden Verharmlosungen.

Hierbei ergaben sich erstaunliche ästhetische Parallelen zu von Roman Dubasevych (Greifswald) aufgespürten Videosequenzen, die Wiktor Janukowitsch im ukrainischen Wahlkampf zeigten und unter Beweis stellten, das seine facettenreichen Selbstinszenierungen nicht zuletzt mit dem panegyrischen Topos vom Welterneuerer aufgeladen worden sind.

Spuren panegyrischer Verfahren des 18. Jahrhunderts in Texten der slawischen Avantgarde ging Alexander Wöll (Greifswald), Dekan der Philosophischen Fakultät und Kollege von U. Jekutsch am Beispiel Waginows und der „Lobpreisung der Quadrate“ nach. Michael Düring (Kiel) sprach über Sinowjews stotternde Paviane, Eber-Dialekte und Ordensfetischisten. Wie auch Klavdia Smola (Greifswald), die literarischen Reaktionen auf den Tod Stalins in der russisch-jüdischen Literatur nachging, trug er so zur Erforschung der sowjetische Literatur der inneren Emigration bei. Dass selbst postmoderne Autoren mit pangegyrischen Strategien spielen und so Herrscherlob und -tadel zu einer neuen Existenz unter veränderten Vorzeichen verhelfen, konnte in weiteren Beiträgen angedeutet werden.

Andzej Sulikowski (Szczecin), der die Jubilarin aus der langjährigen Zusammenarbeit im Deutsch-Polnischen Literatur Forum kennt und bereits zusammen mit ihr eine weitere Konferenz plant, widmete sich dem polnischen Philosophen Leszek Kołakowski mit einer Panegyrik auf sein Andenken.

Musikalisch perfekt eingestimmt durch Choryllisch, den von Slawisten mitbegründeten Chor ging es unbekümmert durch den starken Regen an die Ryckterrassen.

Der erste Tag des Symposions klang – wie kann es anders sein - mit einer barocken Feuerwerksinszenierung der theaterbegeisterten Gruppe Papyros unter der Leitung Frank Kottes (Buchholz) aus, bei der der Museumshafen am Ryck visuell und klangarchitektonisch mit eingebunden wurde. Im Hintergrund die alten Speicher der Stadt, aber auch die Schatten der Marienkirche und des Doms – ein idealer Ort, um zu zeigen, wie eng Wissenschaft, Kulturgeschichte und Stadt miteinander verzahnt sind.

Was durch ein Organisationsteam sowie die Fachschaft Slawistik vorbereitet und mit Unterstützung vieler Partner aus Stadtverwaltung, Hafenamt und Universität möglich geworden war, machte Sinn und erntete Beifall, nicht nur am Ryck.

Internationales Symposion vom 18.-19.11.2010 - das Programm