Internationales Forschernetzwerk „Urban Voices“:

Stimmen der Stadt – Sprachliche und kommunikative Vielfalt in face to face-Interaktion russischsprachiger SprecherInnen in Sankt Petersburg und deutschen Städten

Finanzierung:

Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Reisemittel zu den Treffen des Forschernetzwerks (2x jährlich)

Laufzeit:

April 2013 – März 2015

Beteiligte ForscherInnen:

Dr. Nadine Thielemann (Hamburg, Koordinatorin), Prof. Dr. Marion Krause (Hamburg), Prof. Dr. Christian Sappok (Bochum), Prof. Dr. Peter Kosta (Potsdam), Prof. Dr. Bernhard Brehmer (Greifswald), Jun.-Prof. Dr. Nicole Richter (Frankfurt/Oder), Jun.-Prof. Dr. Beatrix Kress (Hildesheim), Dr. Elena Graf (München), Prof. Dr. Aleksandr S. Asinovskij, Prof. Dr. Nina V. Bogdanova-Beglarjan, Dr. hab. Elena Markasova, Dr. Tat'jana Šerstinova (alle St. Petersburg)

 

Sprachliche Interaktion im städtischen Raum zeichnet sich durch ein großes Variationsspektrum aus. Die kommunikative Situation variiert, aber auch die Gruppenzusammensetzung sowie die lokale, soziale und ethnische Identität der SprecherInnen, was verbunden ist mit verschiedenen Mechanismen der Anpassung und Abgrenzung. Ziel des Netzwerkes ist es, den funktionalen Zusammenhang verschiedenartiger sprachlicher, parasprachlicher und pragmatischer Ausdrucksmittel mit soziolinguistischen Dimensionen zu untersuchen und zu analysieren, wie diese soziale Bedeutung (z.B. soziale, ethnische oder lokale Identität, den institutionellen Charakter einer kommunikativen Situation etc.) anzeigen. Die Mitglieder des Netzwerks setzen dabei jeweils unterschiedliche Akzente hinsichtlich der untersuchten Aspekte und des Datenmaterials und wenden auch unterschiedliche (sowohl qualitative als auch quantitative) Methoden an. Das Netzwerk beruht in seiner Anlage im Wesentlichen auf methodischer Triangulation, wobei Nutzen und Herausforderungen hinsichtlich der Anwendbarkeit als auch Kombinierbarkeit unterschiedliche Analyseansätze im Rahmen von Arbeitstreffen vorgestellt und diskutiert werden. Die verbindende Basis ist die Arbeit mit gesprochensprachlichen Daten, was notwendigerweise akustische und auditive Untersuchungsmethoden erforderlich macht. Alle Teilnehmer greifen auf ein gemeinsames Pilotkorpus zurück. Langzeitaufnahmen der Gespräche eines Sprechers bzw. einer Sprecherin über einen ganzen Tag hinweg, wie sie beispielsweise im Ein gesprochener Tag–Corpus (ORD, Sankt Petersburg) enthalten sind, sind eine besonders geeignete Datenquelle, die diese Vielfalt reflektiert.

In meinem eigenen Teilprojekt "Höflichkeit in Interaktion: das Fallbeispiel Russisch" untersuche ich die Verwendung von Anredeformen sowie verschiedenen Ausdrucksmitteln für Höflichkeit aus interaktionslinguistischer Perspektive. Zielsetzung ist, die bisherigen Arbeiten zu Höflichkeit und Anrede im Russischen, die meistens auf der Basis von Sprecherbefragungen über Fragebögen oder anhand von Daten aus schriftlichen Korpora entstanden sind, durch die Untersuchung authentischer Alltagskommunikation in verschiedenen sozialen Settings zu ergänzen. Dazu sollen die im Netzwerk erhobenen oder vorhandenen Daten monolingualer (ORD-Korpus) und bilingualer russischsprachiger Kommunikationsereignisse herangezogen werden. Die gesprochensprachlichen Daten stammen von SprecherInnen unterschiedlicher sozialer Hintergründe und aus verschiedenen Situationen des privaten und beruflichen Alltags. Höflichkeit, aber auch Unhöflichkeit sollen dabei zunächst auf der Mikroebene des einzelnen Kommunikationsereignisses, d.h. im wechselseitigen diskursiven verbalen Verhalten von SprecherIn und AdressatIn, untersucht werden. Die einzelnen Mikroanalysen sollen dabei aber im Sinne des framebasierten Ansatzes der Höflichkeitsforschung, wie er von Terkourafi (2005) entwickelt wurde, in Bezug auf regelmäßig zu beobachtende Korrelationen zwischen sprachlichen Ausdrucksmitteln für einzelne Sprechakte bzw. einzelnen pragmatischen Strategien und den soziolinguistisch typisierten Kontexten aus dem gesprochenen Korpus miteinander verbunden und somit auch einer quantifizierbaren Auswertung unterzogen werden. Durch die Berücksichtigung verschiedener Sprecher-Adressaten-Konstellationen und unterschiedlicher, authentischer Situationskontexte soll ein genaueres Bild der systematischen Variation beim Gebrauch bestimmter Ausdrucksmittel im Russischen, die von den Interaktanten als höflich oder unhöflich aufgefasst werden, erzielt werden als in den bisher vorliegenden korpus- oder fragebogengestützten Untersuchungen.