Greifswalder Slawisten auf Spurensuche im Ostseeraum

Ein Semester lang haben Studierende der Slawistik, der Musik- und Kunstwissenschaften recherchiert, nach Sprach- Ton- und Bildspuren gefahndet, Texte übersetzt und analysiert, eigene Gedanken formuliert, diskutiert und recherchiert und geprobt für den musikalisch-literarischen Abend in der Aula der Greifswalder Universität am 12.11.2017.

Erfahren Sie in diesem Clip mehr über das außergewöhnliche Projekt, dem eine Lehrveranstaltung zu Grunde lag, die Ute Marggraff im Wintersemester 2017/2018 am Institut für Slawistik anbot. Zusammen mit Studierenden aus verschiedenen Ländern untersuchte sie die sagenumwobene Geschichte des slawischen Tempels und der mit Kap Arkona verbundenen slawischen Naturgottheit Svantevit. Diese geben bis heute nicht nur Archäologen viele Rätsel aufgibt. Ausgehend von mittelalterlichen Geschichtsquellen, zu denen die „Gesta Danorum“ des erzbischöflichen Sekretärs Saxo Grammaticus aus der Zeit der Slawenmission gehört, interessierten sie sich für das Schicksal des Mythos in späterer Zeit. So gerieten westslawische Historiker, Philosophen und Dichter in den Fokus, die, mit dem Blick auf neu zu gründende Staaten, eine frühe slawische Geschichte konstruieren und bildhaft ausgestalteten. Daran schloss sich die Beschäftigung mit Dichtern, Bildhauern, Malern und Musikern an, die den Mythos von Svantevit im weiteren Verlauf der Zeit auf ihre Art und Weise ausformten.

Zu denen, die Svantevit im für die Literatur- und Kunstentwicklung so reichen 19. Jh. aus dem Nebel der Zeiten „auferstehen“ ließen, zählt Jadwiga Łuszczewska, eine Nichte des bekannten Historikers Joachim Lelewel. Zusammen mit ihrem Vater hatte die historisch gebildete und in die europäischen Kunstdebatten verwickelte Dichterin 1857 die Nordspitze der Insel Rügen besucht und das Poem „Der weiße Reiter“ verfasst, das die Studierenden in einer polnischen Bibliothek aufgespürt und ins Deutsche übersetzt haben. Ausschnitte aus dieser Übersetzung wurden gemeinsam analysiert und rhetorisch so aufbereitet, dass sie dem zahlreich in der Aula erschienenen Publikum zusammen mit anderen Blüten, die der Svantevitkult im 19. Jahrhundert getrieben hatte, überzeugend dargeboten werden konnten.

Studierende des Instituts für Kirchenmusik und Musikwissenschaften unter der Leitung von Martin Loeser moderierten den interdisziplinär ausgestalteten Abschlußabend des Projektes. Auf unterhaltsame und klangvolle Weise gelang es ihnen, den Vortrag Fred Ruchhöfts zu den archäologischen Überresten auf Arkona, die Einführung zu den uns so „fremden“ und doch so „nahen“ Identitätskonstruktionen in der westslawischen Historiografie, Kunst und Literatur sowie Blüten der polnischen Romantik und das tschechische Opernrepertoire Zdeněk Fibichs miteinander zu verbinden. Letzteres kam in Form der Ouvertüre aus Fibichs Oper „Der Fall von Arkona“ zur Geltung, präzise und klangvoll intoniert durch Raik Harder. Das Projekt ist eines von Vielen, die am Institut für Slawistik u.a. im Rahmen der literatur- und kulturwissenschaftlichen Ausbildung, aber auch darüber hinaus, mit wechselnden Partnern, angeboten werden.