Lesung von Thomas Reschke in der Stadtbibliothek Greifswald am 18.11.2004

Über 50 Gäste waren am 8.11. 2004 der Einladung in den Gewölbekeller der Stadtbibliothek Greifswald zu der gemeinsam vom Institut für Slawistik und der Stadtbibliothek organisierten Lesung mit Thomas Reschke, einem renommierten Übersetzer gefolgt.

Der Begrüßung durch Frau Bent, Mitarbeiterin der Stadtbibliothek, schloss sich Ute Scholz vom Institut für Slawistik mit einer sachkundigen Einführung in Leben und Werk des bedeutenden Übersetzers an, der mit über 70 Jahren auf ein bewegtes Leben und eine Vielzahl von Übersetzungen russischer Autoren ins Deutsche zurück blicken kann.

Thomas Reschke hat nicht nur Michail Zoščenko und Michail Bulgakov in Deutschland zur Anerkennung verholfen, sondern auch Pasternaks „Doktor Živago“ und Artëm Vesëlys „Russland im Blut“ gewaschen übertragen. In der fast 200 Titel umfassenden Liste wichtiger Texte dürfen Paustovskij, Bianki, Babel’, Šukšin, Kim, Gorenštejn aber auch Akunin nicht fehlen. U. Scholz berichtet, das vor der Wende Texte von Thomas Reschke teilweise wie Goldstaub behandelt wurden. Nur einige wenige Glückspilze konnten „Die Reize der Kultur“ oder gar das Bändchen die „Heimlichen Märchen“ ihr eigen nennen. Letztere hatte W. Koeppen sein Eigen nennen können. Dies hatte Herr Reschke bei einem Rundgang durch das Archiv im Koeppenhaus am Morgen erfahren. Auch nach seiner Pensionierung stellt der Übersetzer mit nicht nachlassendem Eifer seine große Sachkompetenz und sein Talent in den Dienst russischer Autoren und deutscher Leser.

Im Anschluß an die Einführung ergriff sogleich Thomas Reschke das Wort. Vorgetragen wurde aus dem jüngst im Persona-Verlag in Mannheim erschienenden Band „Wie mit Gabeln aufs Wasser geschrieben“, in dem der unermüdliche Mittler zwischen den Kulturen dem bekannten Satiriker M. Zoščenko seine Feder verliehen hat. Thomas Reschke las aus seinen Lieblingserzählungen von Michail Zoščenko vor, die er schon früher übertragen, jedoch eigens für diesen Band behutsam überarbeitet hat.

Er begann mit solchen, den Zuhörern gut bekannten Texten wie „Das Bad“ und „Schlaf schneller, Genosse“. Schon diese bereiteten den Zuhörern große Freude, kamen doch im mündlichen Vortrag bekannte Eigenheiten der Übertragungskunst Reschkes stärker zum Tragen. Mit dem ihm eigenen Gefühl für die Ironie des Originals entlarvte der Vortragenden Bildung als Halbbildung sowie Gefühlstiefe als Sentimentalität, indem er die Subjektivität von Erzähler- bzw. Personenrede mit unterschiedlichsten Mitteln verdeutlichte. Es folgten weniger bekannte Texte wie, beispielsweise „Das Foto“ oder „Der Schauspieler“. Immer wieder gelang es die stilistische Vielfalt der Texte zum Klingen und für die Greifswalder Zuhörer nacherlebbar zu machen.

In der sich anschließenden Diskussion ging es dann um die Zusammenarbeit des Übersetzers mit den Autoren, den Verlagen sowie zu den Zensurbehörden. Dabei wurden auch Fälle erwähnt, in denen es seinerzeit gelang, den Zensurbehörden ein Schnippchen zu schlagen.

Im weiteren Verlauf der Diskussion und in sich anschließenden persönlichen Begegnungen wurden praktische Übersetzungsfragen sowie die soziale Situation von Übersetzern zur Sprache gebracht. Studierende, die zum Teil selbst schon an Übersetzungen gearbeitet haben, konnten tiefere Einblicke in die Werksatt des Übersetzers nehmen und so manche Neuigkeit aus dem harten Übersetzungsgeschäft erfahren.

Ein Teil der Zuhörer ließen es sich am Schluss der Veranstaltung nicht nehmen, aus dem eigenen Bücherregal mitgebrachte Texte oder aber frisch erworbene Übersetzungen von Thomas Reschke signieren zu lassen.

Im Namen der Organisatoren dankte Ute Scholz allen, die zum Gelingen der Lesung beigetragen haben. Neben der Stadtbibliothek, der Universitätsbuchhandlung wurde das besondere Engagement der Gesellschaft der Freunde und Förderer gewürdigt, ohne die angesichts fast leerer Institutskassen, die auch aus berufspraktischer Sicht wertvolle Lesung nicht hätte stattfinden können.

 

UTE SCHOLZ